Dienstag, 31. Juli 2012

Die Milchlüge - auf der Suche nach der wahren Mitte

Ich habe vorhin "Die Milchlüge" auf NDR gesehen und ich muss sagen, ich war enttäuscht. Nachdem die Sendung vor ein paar Monaten aus "redaktionellen Gründen" nicht ausgestrahlt worden war und der NDR sich einer Protestwelle ausgesetzt sah, wurde also nun die überarbeitete Fassung gesendet. Überarbeitet trifft es denn auch ziemlich gut, meiner Meinung nach hat man nun die "uFSK Milchlobby"-Version ausgestrahlt.

Generell möchte ich erstmal sagen, dass ich mich eigentlich sehr gefreut habe, dass sich der NDR überhaupt dieses Themas angenommen hat und die ursprüngliche Beschreibung der Sendung klang ja auch sehr vielversprechend. Was nun gesendet wurde, wurde der ursprünglichen kritischen Beschreibung aber leider wenig gerecht. Meiner Meinung nach konnte man sehr genau merken, an welcher Stelle der Beitrag überarbeitet worden ist - grob geschätzt etwa der Teil von Minute 10 - 40. Ich will gar nicht bestreiten, dass das, was dort gezeigt wurde auch wichtig ist und Menschen zum Nachdenken bringt, aber 30 Minuten Berichterstattung darüber, wie Milch von der Kuh in die Packung kommt, fand ich grenzwertig. 
Natürlich wissen sicherlich eine Menge Menschen nicht - oder machen sich keine Gedanken darüber - dass das gemalte Idyll auf der Milchpackung wenig mit der Realität zu tun hat, insofern war es gut, dass es gezeigt wurde, aber was hat das mit der Milchlüge zu tun? Klar ist es eine Lüge, dass die Kühe so glücklich auf der Weide stehen wie auf der Milchpackung, aber dann kann man auch eine Sendung über "Die Eierlüge" machen, weil - oh Wunder!, die Hühner auch nicht so fröhlich auf der Wiese rumpicken wie auf dem Eierkarton aufgemalt.
Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte nich kritisieren, dass es an sich nicht wichtig wäre, denn das ist es. Ich möchte zeigen, dass es meiner Meinung nach nicht das originale Thema der Sendung war, weil es diesem nicht entspricht. Den Teil hätte man auch in fünf Minuten abhaken können anstatt in einer halben Stunde und dann hätte man die restlichen 25 Minuten für kritische Berichterstattung nutzen können, wie man sie eigentlich von der Reihe "45 Minuten" durchaus in guter Qualität gewohnt ist.

Es gab so viele Punkte, wo man hätte einhaken können und wo es nicht getan wurde. Hinzu kommen diese ganzen relativierenden Aussagen, es wurde kein klarer Standpunkt bezogen. Was zur Hölle soll denn die Milchlüge sein, wenn man dieser Sendung glauben darf? Dass es die glücklichen Kühe aus der Werbung nicht gibt, sondern sie als Hochleistungsmaschinen ausgebeutet werden und dass Milch für nicht ganz gesunde Menschen eventuell, möglicherweise, unter bestimmten Umständen, aber natürlich nicht bewiesenermaßen, in einem ganz schlechten Fall, schädlich sein kööööönnte?! 
Na herzlichen Glückwunsch, gut gebrüllt, Löwe!

Ich glaube, die wahre Milchlüge ist "Die Milchlüge". Ich will den Machern der Sendung keinen Vorwurf machen, weil ich glaube, es wurden ihnen gehörig dazwischengefunkt (von Minute 10 an sozusagen...). Auf mich wirkte es so, als hätte die Milchlobby (oder wer auch immer) eben doch ihren Einfluss geltend gemacht und die Macher der Sendung haben versucht zu retten, was noch irgendwie zu retten war. 
Nach dem Protest konnte der NDR es sich außerdem nicht erlauben, die Sendung einfach gar nicht mehr zu senden, insofern musste sie entschärft werden. Was für mich dafür spricht, dass die Sendung ursprünlich hielt, was sie versprach, ist dass dieser Mittelteil für mich da überhaupt nicht hineinpasste und wie ein Tribut wirkte an den, der da nicht wollte, dass es um die gesundheitliche Fragwürdigkeit von Milch geht. Stattdessen zerstört man das Bauernhofidyll in den Köpfen. Auch eine Art von kritischer Berichterstattung, so dass sich am Ende keiner richtig beschweren kann. Schlau gemacht. 
Weshalb ich glaube, dass es ursprüngliche andere Ansätze der Berichterstattung gab, war vorallem der Anfang, da waren wirklich noch kritische Untertöne mit dabei, die für mich in logischer Konsequenz im weiteren Verlauf der Sendung hätten aufgearbeitet werden müssen.
Ich fand es gut, dass der DGE auf den Zahn gefühlt wurde, warum sie Milchkonsum uneingeschränkt empfiehlt, obwohl die Dame dort gleichzeitig zugab, es gäbe gesundheitliche Bedenken, wenn auch nicht alles erwiesen sei. Oder die Tatsache, dass angedeutet wurde, dass Frau Aigner eben nicht nur für Verbraucherschutz zuständig ist in ihrem Ministerium, sondern auch für die Milchwirtschaft und damit eventuell ein Interessenkonflikt einhergehen könnte. Auf diesen und vielen weiteren Punkten hätte man wunderbar weiter aufbauen können und wirklich kritische Berichterstattung leisten können, wie man sie ursprünglich der Ankündigung nach zu erwarten hatte. Ich bin mir sicher, es wurde genau in dieser Hinsicht der Beitrag überarbeitet und meiner Meinung nach konnte man es ihm deutlich anmerken, was ich sehr schade fand.

Ich möchte gar nicht bestreiten, dass die Meinungen der Fachleute nach wie vor darüber auseinandergehen, ob und wie schädlich Milch denn nun genau ist, aber es gibt inzwischen wirklich viele seriöse medizinische Studien, die eindeutig dafür sprechen, dass Milch keinesfalls so gesund ist, wie sie uns verkauft wird. Und wenn man sich auch nur ein bisschen über die Milchwirtschaft informiert, wird einem ziemlich schnell klar, warum sie uns trotzdem als so gesund verkauft wird und welche Macht dahintersteckt. Das alles hätte man in der Milchlüge beleuchten sollen, von beiden Seiten. Ich bin selber Akademiker und ich weiß, dass nichts so gut lügt wie Statistiken, wenn man sie anzuwenden weiß, insofern sollte man nichts verteufeln, was man nicht beweisen kann. Aber man hätte in neutraler Weise die Ergebnisse verschiedener seriöser wisschenschaftlicher Studien präsentieren können und dann sagen können, dass man eben noch nichts endgültig beweisen kann, aber sich jeder sein Urteil aus den Ergebnissen bilden kann und es wäre klar gewesen, in welche Richtung dieses Urteil tendiert hätte, selbst wenn man es nicht abschließend belegen kann.

Man hätte auch einfach mal ein paar Denkanstöße geben können, beispielsweise warum der Mensch das einzige Säugetier ist, dass die Muttermilch eines anderen Tieres verschlingt, bis ins Erwachsenenalter. Oder man hätte fragen können, warum bestimmte Krankheiten in "milchfreien" Kulturen nicht vorhanden sind und in Ländern, wo viel Milch getrunken wird, besonders häufig auftreten. Manchmal braucht es keine Studien, da reicht der logische Menschenverstand.
Als beispielsweise gesagt wurde, dass in China nun der Milchkonsum in der Bevölkerung erhöht werden soll, weil sich die Regierung erhofft, dass die Chinesen dann größer werden (btw. finde nur ich das so abstrus, warum will man, dass die gesamte Bevölkerung größer wird?! Also ich kann mir die Gründe an sich ausmalen, aber ich finde das ehrlich gesagt ziemlich pervers.). An dieser Stelle hätten man doch wunderbar darauf eingehen können, dass die meisten Asiaten laktoseintolerant sind, eigentlich keine Milch trinken und bestimmte Krankheiten bisher einfach nicht kannten.

Wie gesagt, ich denke auch, man sollte das Thema differenziert betrachten, solange nichts bewiesen ist, aber man hätte trotzdem mehr in die Tiefe gehen können und viel mehr bzw. andere Argumente und Aspekte bringen müssen.

Wer sich der Sache von wissenschaftlicher Seite noch einmal nähern möchte und nach seriösen Studien sucht, der kann sich hier  und hier ein bisschen durchklicken, da gibt es Einiges zu entdecken. Letztenendes muss sich jeder seine eigene Meinung bilden auf Basis der Informationen, die zur Verfügung stehen.

Ich habe jetzt bewusst nicht die China Study erwähnt, wobei ich mir gewünscht hätte, man hätte sie in der Reportage auch genannt, sie hätte meiner Meinung nach dazu gehört und wäre auch wichtig für das Thema gewesen, man hätte sie ja ebenfalls mit der nötigen Distanz darstellen können. Ich denke, viele Ergebnisse der China Study sind wahr und wichtig und man sollte sich auch mal mit ihr auseinandersetzen, es ist höchst interessant, aber ich möchte sie hier bewusst nicht als Quelle angeben, weil sie heute an einigen Stellen in ihrer Vorgehensweise wissenschaftlich umstritten ist. Wie gesagt, unbedingt mal nachlesen, wer sie noch nicht kennt, aber man sollte eben beide Seiten immer kritisch hinterfragen.

A propos kritisch hinterfragen... mich hat die Frage nicht losgelassen, wer wohl Interesse an einer Überarbeitung der Milchlüge gehabt haben könnte. Also außer der Milchlobby, versteht sich, die arbeitet ja normalerweise nicht beim Fernsehen. Irgendwo muss es da doch Bindeglieder geben, die Einfluss nehmen. Man wird wohl nie erfahren, was genau an der Sendung geändert werden musste und wer darauf bestanden hat, aber man kann ja mal darüber nachdenken, wer Interesse daran gehabt haben könnte und wer Interessen vertritt und mit diesen Gedanken einmal ganz neutral über diese Liste lesen...

12 Kommentare:

  1. Tolle kritische Auseinandersetzung mit dem Thema! Ich bin ganz deiner Meinung und retweete deinen Post gleich mal. Kennst du schon meinen Blog Selbstbewusstleben? Ich beschäftige mich auch sehr viel mit Ernährung und trinke mittlerweile fast keine tierische Milch mehr, sondern nur Nussmilch.
    Liebe Grüße Kristin

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    1. Oh, vielen Dank für den Retweet, das freut mich. :)
      Und ja, deinen Blog kenne ich, bin über Twitter aufmerksam geworden und direkt Follower geworden, lese supergerne bei dir.
      lg,
      Kate

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Danke für den guten Artikel. Vor allem für den Hinweis auf den Rundfunkrat, auf den die Zensur zurück zu führen ist. Es ärgert mich, dass sich dort zum größten Teils Gruppierungen wiederfinden, von denen ich mich nicht vertreten fühle. Im Gegenteil.

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    1. Ja, das mit den Rundfunkräten ist bei vielen Sendern leider so eine Sache, wenn man mal recherchiert, wer sich da so tummelt, stellen sich einem einige Fragen.^^

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  4. Liebe Kate,
    ich habe mir gestern auch diese seltsame Milchsendung angeschaut. Ehrlich gesagt, habe ich aber auch nichts weltbewegend Aufrüttelndes erwartet. Man kann schon staunen, daß es im TV überhaupt eine Sendung mit solch einem Titel gibt. Doch zu erwarten, daß der Inhalt des Filmes dann auch tatsächlich dem Titel entspricht, kann man leider nicht.
    TV ist gesteuert und zensiert von vorn bis hinten. Echte Infos gibts da fast nicht. Es dient in erster Linie dazu, das Volk zu manipulieren und dumm zu halten und es durch schwachsinnige Sendungen und Filme von allem Wichtigen im Leben abzuhalten. Leider.
    Liebe Grüße
    Iris

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    1. Hallo Iris,
      richtig große Erwartungen hatte ich in dem Sinne auch nicht, aber nachdem die ursprüngliche Ankündigung einiges erhoffen ließ, war ich trotzdem enttäuscht. Bei Biggy kannst du sehen, wie die ursprüngliche Ankündigung war, das war schon vielversprechend... http://vegan-was-sonst.blogspot.de/2012/07/fazit-der-gestrigen-sendung-die-milch.html

      Liebe Grüße
      Kate

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  5. Hallo,

    kann es sein, dass sich die Versionen im TV und im Internet unterscheiden?
    Die Internetversion: http://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/lebensmittel/minuten577.html

    Wenn dem so waere, ist das natuerlich noch krasser, dann passt auch der Kommentar von Seelengold perfekt..

    VG, Yannic

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    1. Hallo Yannic,
      das würde mich jetzt wundern, eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen. Habe gerade auch mal ausschnittsweise reingesehen und dabei keinen Unterschied feststellen können. Hast du da einen Unterschied gesehen? Das würde mich schon interessieren.

      Viele Grüße

      Kate

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    2. Hey,

      ich hab die TV-Version nicht gesehen, hab aber beim Sehen der Internetversion gemeint, dass die sich schon etwas von der Zusammenfassung von Christian (http://veganwonderworld.blogspot.de/2012/07/die-milchpropaganda.html) unterscheidet.
      Hab mich dann aber wohl geirrt..

      VG, Yannic

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  6. Ich hatte mir mehr versprochen, aber nach der spontanen Absetzung vor ein paar Wochen konnte man ja eigentlich mit so etwas rechnen :/



    Ich habe dir einen Award verliehen :)

    http://ceridwen1977.blogspot.de/

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    1. Oh wow, vielen Dank, das freut mich sehr! :) Ich fühle mich geehrt.

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