Mittwoch, 30. Januar 2013

Naturtrüb

Ich muss mir jetzt einfach mal Luft machen! Vorhin auf der Arbeit dachte ich echt, ich vergesse mich gleich, aber ich habe mich zusammengerissen. Eigentlich bin ich auch niemand, der sich schnell aufregt und würde behaupten, meinen Mitmenschen generell recht viel Verständnis entgegenzubringen, aber irgendwo hört es auf.

Bisher bin ich eigentlich fast nie mit irgendwelchen bescheuerten Vorurteilen gegenüber Veganern konfrontiert worden. Klar kommen hier und da mal Nachfragen und manchmal reagieren Leute auch mit Unverständnis, aber alles immer in einem höflichen und respektvollen Rahmen bisher, also mehr in die Richtung "Ich könnte es ja nicht, aber wenn Du das durchziehst, warum nicht.". Ich bin ja auch niemand, der andere ungefragt missioniert bzw. ich missioniere sowieso nicht, beantworte Nachfragen gerne, aber thematisiere solche Dinge in der Regel nicht von mir aus. D.h. ich würde niemals zu jemandem sagen "Warum isst du eigentlich Fleisch? Weißt du eigentlich, was du da tust? Brabrabra...". Wenn mich aber jemand fragt, warum ich es nicht tue oder warum ich keine tierischen Produkte esse, erkläre ich das offen, soweit es derjenige wissen möchte. Das also mal vorweg...

Auch rein optisch bediene ich keinerlei Klischees. Ich laufe so rum, wie ich gerade Lust habe, manchmal sportlich-bequem, manchmal sehr feminin, mal geschminkt und gestylt, mal gammelig. Meistens ziemlich durchschnittlich eben. Auf jeden Fall nicht wie jemand, dem man sofort den Stempel "Öko" oder "Veganer" aufdrücken würde. Heute ganz sicher auch nicht, ich hatte nämlich sogar eine Lederhandtasche dabei. Die Tasche besitze ich noch aus nicht-veganen Zeiten und ich sehe keinen Sinn darin, sie nicht weiterzubenutzen, schließlich wird das Tier davon auch nicht mehr lebendig.

Ich kam also mit meiner Ledertasche, grauen Boots, einer schwarzen Strumpfhose, einem kurzen schwarzen Röckchen und einem Bench Funnel zur Arbeit und möchte behaupten, damit eine Mischung aus sportlich und feminin, Markenvictim und Gammler dargestellt zu haben. Also niemanden, den man direkt in eine Schublade schiebt aufgrund seiner äußeren Erscheinung. Geschminkt war ich auch, aber eher dezent, also nur die Augen. Von einer Frisur möchte ich bei dem Wetter nicht sprechen wollen.

Nun ging es darum, dass ein neues Packungsdesign für einen Saft her sollte. Es gab eine Art Brainstorming als Einleitung und weil es um einen klaren Saft ging und das eindeutig an der Packung erkennbar sein sollte, ging es dabei auch darum, die Unterschiede zwischen naturtrübem und klarem Saft herauszustellen. Jeder sollte das erst für sich persönlich überlegen und dann wurde zusammengetragen. Also einfach alles, was einem dazu einfiel, um erstmal überhaupt ein Bild zu bekommen. Ich habe dann offen gesagt, dass ich als Kind naturtrüben Saft verabscheut habe, ihn aber nun bevorzugen würde und begründete dies nur in einem Nebensatz damit, dass ich nicht mit allen Methoden zur Klärung von Saft einverstanden sei. Präziser habe ich es nicht gesagt, einfach nur das. Also nicht erwähnt, dass ich Veganer bin oder irgendwas, einfach nur diese Bemerkung. Ich war die Letzte in der Runde, die sich zu äußern hatte und alle anderen waren ganz eindeutig Fans von klarem Saft gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch gar nicht kommuniziert worden, dass es um das Design für den klaren Saft gehen würde, ebenso wenig wusste ich, wie der Auftraggeber seinen Saft klärt. Es wäre also durchaus möglich gewesen, dass ich an diesem Saft gar nichts auszusetzen gehabt hätte und die Chefin hatte garantiert weder eine Ahnung, worum es mir mit meiner Bemerkung genau ging, noch ob der Saft mit Gelatine geklärt wird oder nicht. Trotzdem wurde ich angeraunzt, als wäre es eine Todsünde zu sagen, dass ich naturtrüben Saft bevorzuge, nur weil es dem Auftraggeber um den anderen ging. 
Für mich heißt das aber nicht, dass ich weniger professionell oder engagiert arbeite, nur weil ich den anderen Saft lieber trinke. Ich meine, das ist doch lächerlich, ich trinke auch lieber Kaffee als Saft, aber deswegen arbeite ich doch nicht weniger professionell an einer Saftkampagne. Ich bin mir auch sehr sicher, dass nicht von allen Anwesenden im Raum Saft das absolute Lieblingsgetränk war. Trotzdem wurde ich von der Chefin angeraunzt, als wäre ich völlig fehl am Platz und sie meinte, dann würde ich es heute wohl schwer haben, wenn ich keinen geklärten Saft mögen würde. Ich stellte nochmal klar, dass ich geklärten Saft sehr wohl auch mögen würde, lediglich aus diversen Gründen naturtrüben Saft bevorzuge. Für sie war ich ab diesem Moment dennoch unten durch und sie ließ mich bei der weiteren Diskussion kaum noch zu Wort kommen, weil sie sich anscheinend sicher war, dass von jemandem, der naturtrüben Saft bevorzugt, kein vernünftiges Design zu erwarten sei.

Als wäre das nicht schon ätzend genug gewesen, musste ich dann anderthalb Stunden Halbwissen über "gesunde Ernährung" und ähnliche Dinge über mich ergehen lassen, wo dann Aussagen kamen wie, dass geklärter Saft reiner und deswegen vitaminhaltiger sei und dass es den ja auch schon viel länger gebe und naturtrüber Saft ein neumodisches Phänomen sei. Ich hätte gefühlt alle fünf Minuten schreiend durch den Raum springen können. Es kamen dann auch so großartige Verallgemeinerungen wie, dass nur verschrobene Ökos in altmodischen Klamotten solchen Saft kaufen würden und es den sicher nur im Bioladen gäbe. Ich meine geht's denn?! Ich saß neben den Damen, ich hatte sehr deutlich klargemacht, was ich bevorzuge und ich wirkte ganz sicher nicht wie die Leute, die sie da beschrieben - hätte man da vielleicht, so ganz vielleicht, mal seine Vorstellungen überdenken sollen? Oder erwarte ich zu viel von Menschen, die naturtrüben Saft für eine neumodische Erfindung halten?
Die Tatsache, dass ich mir solche Ergüsse von selbsternannten Ernährungsexperten anhören musste, die glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen, weil sie "dieses Jahr schon sieben Kilo" abgenommen haben (Glückwunsch, bei dem Tempo wirst du sie noch viel schneller wieder drauf haben, sobald du die Plätzchen nicht mehr nur noch hypnotisierst!) oder "als kleines Kind mal zwei Jahre auf dem Bauernhof gelebt" haben und deswegen glauben, sie seien der Bioexperte schlechthin (deswegen gibt es naturtrüben Saft auch nur im Bioladen). Viel erschreckender fand ich, dass da Menschen saßen, von denen man, zumindest teilweise, anhand ihrer Qualifikation erwarten könnte, dass sie etwas mehr als nur gefährliches Achtelwissen (ich wage nicht, es Halbwissen zu nennen) besitzen. Ich erwarte von keiner Oma, die ihr Leben lang Hausfrau war und es einfach nicht anders gelernt hat, dass sie sich mit dem auskennt, was man heutzutage als gesunde Ernährung versteht. Aber von einer Beamtin, die noch nichtmal dreißig ist und sich selbst nach eigener Aussage für gesunde Ernährung interessiert und sehr viel Wert darauf legt, von der könnte man doch ein bisschen mehr Verstand erwarten?! Ein ganz kleines, klitzekleines Bisschen?! Offensichtlich nicht.
Mir ist da heute sehr derbe bewusst geworden, wie wenig Ahnung von gesunder Ernährung und von dem, was die Industrie den Verbrauchern andrehen will, viele Menschen haben und es war wirklich schwer zu ertragen, zumal ich keine Diskussion vom Zaun brechen durfte.

Das einzig befriedigende Resultat dieser Sitzung war dass, obwohl ich nach meiner Bemerkung zum naturtrüben Saft bewusst klein gehalten wurde, ich am Ende die Einzige war, die ein brauchbares Design vorgelegt hat und damit die Chefin sichtlich überrascht hat.^^

Ich fand es so unglaublich frustrierend, plötzlich einfach in eine Schublade gepackt zu werden aufgrund solch einer Kleinigkeit und auch danach bewusst klein gehalten zu werden und signalisiert zu bekommen, dass Wissen nicht erwünscht ist, während ich diesen Unsinn über mich ergehen lassen musste. Gleichzeitig fand ich es schrecklich zu sehen, mit was für einer Unkenntnis die Mehrheit der Anwesenden konsumiert und sich auch noch einbildet, sie würden ökologisch und ethisch korrekt einkaufen und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun. (Es ging nicht nur um Saft, es kamen auch noch weitere Dinge ans Licht.)
Naturtrüb war also nicht der Saft, sondern der Geisteszustand der selbsternannten Ernährungsexperten... Da würde man sich mal Klärung wünschen.

8 Kommentare:

  1. Hi Kate,
    ich kann dich SO gut verstehen!
    Es ist z.T. so erschreckend, dass ich zu Verabredungen manchmal in einer Art Blase erscheine, die mich vor Dummheit schützen soll!
    Ich missioniere auch nicht, obwohl ich mich manchmal auch zu Diskussionen provozieren lasse, aber manchmal machen die Leute es extra.
    Neuerdings erzählen mir viele, dass es ja nicht gut sei, unsere Katze vegan zu ernähren (tun wir ja gar nicht!!) und von einer "freundin", die ein Bild gegen Tierversuche für Kosmetika bei Facebook "geliked" hat und ich sie darauf hinwies, dass die meisten Firmen, die sie kauft, so handeln, sagte zu mir: "Kannst du nicht endlich mit deiner Öko-Scheiße aufhören? Das geht mir echt auf die Nerven!"
    Uuups! Da hatte ich große augen und keine Worte mehr, obwohl ich sonst nicht auf dem Mund gefallen bin.

    Jedenfalls wollte ich dir eigentlich nur zustimmen und hier nicht so lange stories aufschreiben. Du bist nicht alleine!!
    Einfach weitermachen!
    War es denn keine genugtuung, dass dein Design das einzige war?

    Viele Grüße,
    Juli

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    1. Hi Juli,

      oh man, ganz toll von deiner "Freundin". Die hat dann wohl mal auf "Gefällt mir" geklickt, weil das Bild so schön war oder es gerade in war. Klasse...^^

      Ja, dass mit dem Design war schon eine gewisse Genugtuung, wobei ich andererseits auch gedacht habe, dass es ihr nicht geschadet hätte, wenn sie auf der Sache sitzen geblieben wäre und nur unbrauchbare Entwürfe bekommen hätte von den ganzen Klarsaft-Fans. Aber dafür war ich dann auch zu ehrgeizig und wollte ihr schon zeigen, dass es Menschen gibt, die ihren Beruf etwas professioneller und vorurteilsfreier ausüben als sie selbst.
      Mal abwarten, sollte es mein Design in den Laden schaffen, werde ich wahrscheinlich drüber lachen können. ;) Und dann macht es einen auch schon stolz. Habe letztens Plakate gesehen, an denen ich mitgewirkt habe, das Gefühl ist schon geil. :)

      LG
      Kate

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    2. Mir ist gerade aufgefallen, den Gipfel der Doofheit habe ich im Beitrag vergessen zu erwähnen: Naturtrüber Saft wird nämlich aus Früchten gemacht, die überreif sind oder nicht perfekt geformt, für den klaren Saft werden die perfekten Früchte genommen, die direkt vom Baum kommen, die vom trüben Saft können auch schon auf dem Boden gelegen haben.

      Damit beantwortet sich mir auch endlich die Antwort auf die Frage, warum die Banane krumm ist: Die gerade Bananen gehen ausschließlich in die Bananenmilchproduktion und werden deswegen nicht frei verkauft.^^

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  2. Ich kenn das auch nur zu gut.
    Kürzlich erst war ich mit einer Bekannten im DM, sie empfiehlt mir einen Mascara, woraufhin ich meinte, dass ich von der Firma generell nichts kaufen würde. Sie frgte warum, ich sagte, dass die Tierversuche durchführen (was genau erwartet man denn bei "ich kaufe von der Firma generell nichts" für ne Antwort?).
    Sie: "boah, ne, musst du mir sowas erzählen? Ich will das gar nicht wissen!!!"
    Tatsache ist, dass sie selbst gegen Tierversuche ist, mal ne Zeit vegetarisch gelebt hat, blabla. Ich denk mir dann immer: "frag halt nicht, wenn dus nicht wissen willst".

    Bringt ja nix sich drüber aufzuregen....

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    1. Ne, bringt leider wirklich nix, sich drüber aufzuregen. Aber gerade bei solchen Leuten, die offensichtlich mal ein wenig bewusster durch die Welt gegangen sind, fragt man sich ja erst recht, warum sich nichts mehr davon hören wollen. Schade...

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  3. Hi Kate,

    die letzten zwei Sätze sind super. Schöner Vergleich :D

    Es ist wirklich kaum zu glauben. Irgendwie komisch aber eben auch ziemlich traurig.
    Die Kommentare von Chefin und Kolleginnen sind ja nicht nur "safttechnisch" zweifelhaft sondern auch in beruflicher und einfach in menschlicher Hinsicht ziemlich weit unten angesiedelt.

    Ich glaube, ich werde lieber den komischen Aspekt in Gedanken behalten-alles andere ist dann doch nur wieder deprimierend:)

    Liebe Grüße,
    Gregor

    *kopfschüttel* :)

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    1. Hi Gregor,

      ja, da hast du recht, es ist wahrscheinlich wirklich sinnvoller, einfach die Sache mit Humor zu sehen. Heute kann ich manchen Stellen auch schon eine gewisse Situationskomik entnehmen. Aufregen bringt sowieso nichts, höchstens graue Haare. :D

      LG
      Kate

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  4. Tja, der Kunde ist König, da kann man doch nicht am Produkt "rumnörgeln" ;) Quatsch, man muss doch sagen können, was man mag und was nicht!

    Bei uns gab es vor ca. 4 Wochen auch eine Saftdiskussion mit Zwölftelwissen. Da muss Abends was im Fernsehen gekommen sein, ein gefundenes Fressen für alle: "In deinem Saft sind ja auch Tiere drin". Als ob die wissen, was ich trinke. Die Krönung war aber eine Kollegin die meinte, Gelantine machen die rein, damit der Saft dicker wird und besser schmeckt :) Scheinbar hat die nebenbei Angrybirds gespielt oder was anderes. Wenn ich keine Ahnung habe, halte ich einfach die Fre..., also mir wäre so was peinlich.

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